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Zum Tod des langjährigen Winser Organisten und Chorleiters Hermann Constabel

Thu, 30 Apr 2020 17:01:11 +0000 von Christoph Ricker

Ein Nachruf von Pastor Matthias Riemann

Als Pastor Ricker mich fragte, ob ich zum Tod von Hermann Constabel nicht einen Text schreiben könnte, fielen mir die großen Aufführungen ein, die Hermann Constabel zuwege brachte und leitete. Pachelbel, Bach, Buxtehude, Schütz, Praetorius und Händel – Hermann Constabel hatte viele Vorlieben und vereinte diese in den Orgel- und Chorkonzerten zu einem jeweils vielstimmigen Programm, neben vielen anderen Unterlagen von seiner Ehefrau Gudrun sorgfältigst aufgehoben. „Gut vorbereitet und sicher geführt unter der bewährten Leitung des Kirchenmusikers H. Constabel sangen die Chöre mit gepflegtem Stimmeinsatz freudig und natürlich die ihnen nun schon lieb gewordenen Sätze.“ Was aus unserer Sicht etwas schwülstig 1974 in der Celleschen Zeitung bereits stand, daran erinnert Ille Koch, zweite Vorsitzende der Chorgemeinschaft: „Die Konzerte gab es sehr regelmäßig, im Herbst meist ein geistliches und im Frühjahr ein weltliches. Hermann Constabel hat manche schwierige Konzertsätze umgeschrieben, sodass sie leichter singbar wurden“. Und Maria Heisterberg, von Hermann Constabel in der Gründung des Flötenkreises unterstützt, erinnert an den Choral „Du mein Seele, singe“, gesungen zusammen mit einem Posaunenquartett im französischen Garten. 

Meine erste Begegnung mit Hermann Constabel entpuppte sich im Nachhinein, so unaufgeregt sie war, als eine für den Winser Organisten typische Begegnung. Der Einführungsgottesdienst musste geplant und vorbereitet werden. Während andernorts dafür schon einmal mehrere Telefonate und Kontakte nötig sind, beschied sich Hermann Constabel mit einem Zettel im Gemeindebüro. Ich möge ihn anrufen – es wurde eine der mir vertrautesten Telefonnummern in der Winser Zeit - und ihm die Lieder durchgeben. Er würde alles so spielen, wie es die Gemeinde singen könne.

Das war seine große Stärke. Er konnte zurückhaltend und unaufgeregt, aber sehr verlässlich durch einen Gottesdienst führen. Seine Verlässlichkeit über sein ganzes Berufsleben war beeindruckend. Er war „ein Mensch, der immer da war, wenn er gebraucht wurde“ (Ingrid Bensch). Der Kirchenmusik in Winsen und den Chören in Winsen, Hohne und Lachendorf verhalf er zu anhaltender Stabilität. Er übernahm jedwede Vertretung, ohne sich groß bitten zu lassen. Was er tat, tat er selbstverständlich. Die Art der Intonation orientierte sich bei ihm am vorhandenen Gemeindegesang. Vertraut sollte es sein. Er hatte ein über viele Jahre eingespieltes Gespür dafür, was der Gemeinde zumutbar war, was sie zu akzeptieren bereit war und was sie im besten Sinne „gut aussehen“ ließ. Je voller der Gesang, desto besser. In der Chorgemeinschaft – Hermann Constabel machte aus den „reinen“ Männer- und Frauensingkreisen zusammen mit dem Kirchenchor einen gemeinsamen Chor; Maria Heisterberg sagte: „sein größtes Verdienst“ und Ille Koch beeindruckte: „er hatte die Männer überzeugt, dass Kirchenmusik auch schön sein konnte“ – wurde entsprechend daraufhin geübt. Nicht ohne das volkstümliche Liedgut zu vernachlässigen. Aber die Orientierung auf das Lob und die Ehre Gottes blieb ihm – auch hier ganz selbstverständlich, unprätentiös - Richtschnur und Leitlinie seines kirchenmusikalischen Daseins.

Bereits in den Achtzigerjahren war Hermann Constabel in der Winser Kirchengemeinde eine Institution. Sein Lehrmeister, der Winser Rektor und Kantor Otto Molsen, hatte es ihm 1948 ins Stammbuch geschrieben: „Mein Hermann, 5 Jahre habe ich Dich treu geführt, nun bleib auch dabei“. Hermann Constabel ist dabei geblieben. Bei „seiner“ Orgel, auf der Orgelbank bei fast jedem Gottesdienst, bei unzähligen Trauungen und Taufen, bei noch weitaus mehr Beerdigungen in der Friedhofskapelle. Pastoren und Pastorinnen kamen und gingen, Hermann Constabel blieb. 

Wohl niemand war so oft im 20. Jahrhundert in einem Winser Gottesdienst wie Hermann Constabel. Es begann ja schon, da war er noch keine 10 Jahr alt. Und über seinen Ruhestand hinaus blieb er noch viele Jahre dem Gottesdienst und Orgelspiel treu. „Ich bewundere ihn, dass er diesen Weg gegangen ist“ sagte Heinrich Mangels. Als Landwirtsjunge beackerte er das Feld der Kirchenmusik – ein feinsinniger sprachlicher Ausdruck, den P. Stadie zum Eintritt in den Ruhestand von Hermann Constabel im Jahr 1995 benutzte.

Zu den Höhepunkten seines Berufslebens gehörte neben vielen Adventsmusiken die Einweihung der neuen Orgel am 4. Advent 1975, die Fertigstellung dieser Erweiterung mit drei weiteren Registern 1986 und „seine“ große Verabschiedung in den Ruhestand 1995. Die Erneuerung der Orgel wurde damals vom Orgelrevisor Sörensen nicht zuletzt deshalb befürwortet, „da die Kirchengemeinde in Hermann Constabel einen tüchtigen Kirchenmusiker (besitzt), der menschlicher Voraussicht nach der Gemeinde Jahrzehnte noch dienen kann.“ (Brief an den KV, 11.5.1974). So kam es, dass Hermann Constabel mehr als eine Generation in der Winser Kirchenmusik geprägt hat. Über das mütterliche Harmonium hinausgehend, über seine Zeit als Musiklehrer an der Grund- und Hauptschule, über die vielen Konzerte, über „seine“ Orgelbank. 

Ihm selber mag ein solcher Rückblick auf seine Person nicht unbedingt recht gewesen sein. Er hätte sich vielleicht gefragt, wer das denn alles lesen solle. Aber wer ihn kannte, konnte in manchen fast schelmischen Augenblicken sehen, wie stolz er doch darauf war, was er in seinem musikalischen Leben erreichte. Er musste „nicht in Urlaub fahren“, pflegte er zu sagen. „Er hatte ja seine Umgebung“(Ille Koch). Es freut mich sehr, dass ihn dieser bescheidene Stolz zeitlebens nicht verließ.

Pastor Matthias Riemann, Gemeindepastor in Winsen 1986-2016,
zusammengetragen in einer Telefonkonferenz mit Heinrich Mangels, Maria Heisterberg und Ille Koch am 30.4.2020
Quelle: Cellesche Zeitung / Andreas Babel
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